Die Preise für Gas und Strom sind 2021 explodiert. Wie wird das im neuen Jahr weitergehen? Für Wirtschaft und Unternehmen dürften die hohen Preise in nächster Zeit in jedem Fall zu einem gewaltigen Problem werden.

Seit dem vergangenen Herbst gibt es sie: Die Energiepreiskrise. Zuerst schossen die Kosten für Erdgas in die Höhe, dann die für Strom. Von Rekord zu Rekord hangelten sich die Preise an den Spotmärkten. Am niederländischen Handelspunkt TTF kostete eine Kilowattstunde Gas knapp 150 Euro, an der Strombörse Epex Spot gab es zuletzt Ausschläge von bis zu 500 Euro für eine Kilowattstunde Strom, lieferbar am Folgetag.

Das Vergleichsportal Verivox meldete im Dezember, dass ein durchschnittlicher Haushalt mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr ab Januar 2022 im Schnitt mit einem jährlichen Plus von 329 Euro rechnen muss. Es ist eine Entwicklung, die Verbraucher belastet, Unternehmen zum Teil in ihrer Existenz gefährdet und die Politik unter Druck setzt. Aber was bedeutet das für das neue Jahr? Was treibt die Preise? Ist demnächst endlich Schluss mit der schmerzhaften Rekordjagd? Oder ist die Preistreiberei schlicht der neue Normalzustand, die neue Wirklichkeit?

 Putin führte den Europäern ihre Abhängigkeit vor

Im Herbst war es zunächst die konjunkturbedingt hohe Nachfrage nach Flüssiggas (LNG) in Asien und gleichzeitig Lieferengpässe für Erdgas über Pipelines in Europa, die Erdgas in Europa knapp und teuer werden ließ. Hinzu kam der Streit über die Zertifizierung der Ostsee-Gas-Pipeline Nord Stream 2. Gazprom, Deutschlands wichtigster Erdgas-Lieferant, hielt sich zwar penibel an Verträge, schickte aber auch nicht mehr Gas als vereinbart. Die Erdgasspeicher in Deutschland und Europa waren schon vor Beginn der Heizperiode nicht so befüllt, wie es um diese Jahreszeit eigentlich üblich und nötig ist. Der russische Staatskonzern und damit der Kreml und der russische Präsident Wladimir Putin, zeigten den Europäern, wie abhängig die von den Lieferungen aus dem Osten sind.

Die hohen Preise kamen mit Verzögerung bei den Verbrauchern an, aber mittlerweile werden die mit voller Härte getroffen. Zuletzt waren vor allem die Kosten für Strom und fürs Heizen explodiert. Dem Vergleichsportal Verivox zufolge verteuerte sich Energie binnen eines Jahres um 35 Prozent. „Noch nie zuvor mussten private Haushalte so viel für Heizung, Strom und Sprit bezahlen“, hieß es. Und die Preisspirale dreht sich weiter. Allein für den Januar haben nach Verivox-Angaben 486 Gasversorger Preiserhöhungen angekündigt, im Schnitt um 22,7 Prozent. Beim Strom haben 260 Anbieter Erhöhungen angekündigt, im Schnitt um 7,1 Prozent. Bei einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden bedeutet das jährliche Mehrkosten von etwa 91,10 Euro.

 „Eine warme Wohnung ist ein Grundrecht“

Verbraucherschützer empfehlen, Preise jetzt genau zu vergleichen und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln, vor allem wenn der drastisch die Preise erhöht. Aber sie ermahnen die Politik auch, für sozialen Ausgleich zu sorgen – etwa durch eine Erhöhung des Wohngelds. Die Heizkostenpauschale ist Teil des Wohngelds, das an Haushalte mit niedrigem Einkommen ausgezahlt wird. Ende 2020 profitierten bundesweit rund 620.000 Haushalte von dieser Sozialleistung. Die Höhe hängt vom Einkommen, der Haushaltsgröße und den Miet- beziehungsweise Wohnkosten ab. In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel versprochen: „Wir werden das Wohngeld stärken, eine Klimakomponente einführen und kurzfristig einen einmalig erhöhten Heizkostenzuschuss zahlen.“ Und Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in seiner ersten Regierungserklärung im Dezember: „Gerade in Zeiten steigender Energiepreise werden wir darauf achten, dass Energie kein Luxusgut wird. Eine warme Wohnung ist ein Grundrecht.“

 EEG-Umlage wird drastisch gesenkt

An sich werden Verbraucher gerade beim Strom ab Januar entlastet. Die EEG-Umlage, mit der Verbraucher beim Strom belastet werden, sinkt von 6,5 Cent pro Kilowattstunde Strom auf 3,7 Cent, den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Ab Januar 2023 möchte die Ampel diese Umlage sogar ganz abschaffen. Tatsächlich hilft diese Preisminderung angesichts der marktgetriebenen Kostensprünge derzeit allerdings kaum. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Energiepreise politisch gewollt höher werden, um den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien zu beschleunigen.

So wird der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2 2022 von 25 auf 30 Euro steigen – das treibt die Kosten für Erdgas, aber auch für Benzin und Diesel. Wenn Markt und Politik die Preise mal spontan, mal gezielt in die Höhe schießen lassen, wird die Frage nach dem Ausgleich für Haushalte mit niedrigem Einkommen zur steten sozialen Frage. Die Bundesregierung plant deshalb unter anderem, ein Klimageld auf den Weg zu bringen. Die Details sollen 2022 konkretisiert werden.

Für Wirtschaft und Unternehmen dürften die hohen Preise in nächster Zeit schon früher zu einem gewaltigen Problem werden. Mehrere kleinere Energieversorger mussten in den vergangenen Wochen auch in Deutschland Insolvenz anmelden. Sie hatten ihre Preise nicht langfristig abgesichert und waren dadurch gezwungen, sich an den Spotmärkten einzudecken – und waren nicht in der Lage, die hohen Preise dort zu zahlen. Der Druck auf diese Unternehmen – und dann indirekt auf ihre Kunden bleibt vorerst weiterbestehen. Energieintensive Unternehmen, etwa Aluhütten, Chemie- oder Papierproduzenten, sind von den Energiekosten besonders betroffen. Wer hier nicht langfristig abgesichert ist, kommt ins Trudeln. Manche Unternehmen haben die Produktion sogar eingestellt und verkaufen Strom weiter, weil das mehr abwirft, als selbst die eigene Produktion hochzufahren.

Schwankungen gehören zum neuen Normal

Sicher ist dabei: Gerade in Deutschland wird es auf Jahre absehbar Schwankungen vor allem bei der Stromversorgung geben – bei einem drastischen Anstieg der Nachfrage. 2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz, dazu plant die Ampelkoalition den Kohleausstieg „idealerweise“ bis 2030. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix wird hochgefahren, 80 Prozent sollen die grünen Energien am Bruttostromverbrauch im selben Jahr  ausmachen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg  und wetterbedingte Ausfälle, die nur schwer auszugleichen sind, werden zum „new normal“ gehören, zum neuen Normalzustand. Das wird sich auch auf die Preise auswirken. Ob die allerdings dauerhaft auf dem derzeitigen sehr hohen Niveau verharren, hängt davon ab, wie kalt der Winter wird und wie lange sich der Streit um russisches Gas und damit vor allem die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 hinziehen wird. Die Bundesnetzagentur hat verkündet, dass sie vor der zweiten Jahreshälfte 2022 keine Entscheidung über die Zertifizierung von Nord Stream 2 erwartet.

Quelle: Wirtschaftswoche 30. Dezember 2021

Die Preise für Gas und Strom sind 2021 explodiert. Wie wird das im neuen Jahr weitergehen? Für Wirtschaft und Unternehmen dürften die hohen Preise in nächster Zeit in jedem Fall zu einem gewaltigen Problem werden.

Die Preise für Gas und Strom